Überbiss: So hilft die Kieferorthopädie
22. September 2022Wenn die oberen Schneidezähne zu weit vorstehen, mag dies Patienten aus ästhetischen Gründen stören. Vor allem aber kann ein Überbiss beim Kauen und Abbeißen Probleme bereiten. Insbesondere Kinder laufen Gefahr, dass die Frontzähne bei einem Sturz oder Unfall verletzt werden. Mit einer losen oder festen Zahnspange lässt sich ein Überbiss in der Regel gut behandeln.
Was ist ein Überbiss?
Der Überbiss gehört zu den Zahn- und Kieferfehlstellungen. Bei geschlossenem Kiefer weisen die oberen Schneidezähne einen außergewöhnlich hohen Abstand zu den unteren Schneidezähnen auf. Kieferorthopäden sprechen in solch einem Fall auch von einer vergrößerten Frontzahnstufe oder von einem vergrößerten Overjet. Besonders gut ist der Überbiss zu erkennen, wenn man seitlich auf den Patienten und dessen Mundpartie blickt.
Der erhöhte Abstand beruht entweder auf einer besonderen Stellung der Zähne oder einer Fehlstellung des Kiefers. Bei manchen Menschen kommen beide Faktoren zusammen. Liegt es an der Position der Zähne, stehen die oberen Schneidezähne vor – oft so weit, dass der Lippenschluss erschwert ist oder die Zähne auf der Unterlippe aufstehen. Ist der Überbiss knöchern bedingt, liegt in den meisten Fällen der Unterkiefer zu weit hinten. Dass der Oberkiefer im Verhältnis zum Unterkiefer zu weit nach vorne gelagert oder zu groß ist, tritt wesentlich seltener auf.
Wie entsteht ein Überbiss?
Für einen Überbiss kann es diverse Ursachen geben. Ist er durch eine Kieferfehlstellung verursacht, liegt meist eine Fehlfunktion vor, d.h. es fehlt der Lippenschluss, damit ist der äußere Funktionskreis nicht geschlossen und übt Druck auf die Zähne aus. Aber auch seltene Erkrankungen oder ein lange andauerndes Lutschhabit können dafür sorgen, dass der Unterkiefer nicht genug nach vorne wachsen konnte. Insbesondere das Lutschen am Daumen kann dazu führen, dass die oberen Frontzähne nach vorne gedrückt werden und das Wachstum des Unterkiefers gehemmt wird. Die rechtzeitige Entwöhnung vom Lutschen an Daumen oder Schnuller kann einen Überbiss verhindern.
Was sind die Folgen eines Überbisses?
Ein Überbiss kann unterschiedliche gesundheitliche Konsequenzen für Patienten mit sich bringen:
- Sind die Lippen häufig nicht geschlossen und die oberen Schneidezähne stehen damit vor, sind sie bei einem Unfall besonders gefährdet. Sie werden leichter verletzt oder können sogar ausgeschlagen werden.
- Der Überbiss kann dazu führen, dass die Seitenzähne beim Kauen nicht korrekt aufeinandertreffen.
- Manche Patienten klagen über Schmerzen im Kiefergelenk.
- Das Abbeißen mit den vorstehenden Frontzähnen funktioniert nicht optimal.
- Probleme kann auch das Schließen des Mundes bereiten, wenn die Lippen nicht richtig aufeinanderliegen. Die vorderen Zähne werden vom Speichel nicht so gut umspült – das Kariesrisiko steigt.
- Manche Kinder hänseln andere wegen deren Überbisses. Das kann für Betroffene psychisch belastend sein.
Wie wird ein Überbiss behandelt?
Ein Überbiss kann sich in verschiedenen Schweregraden zeigen. Ob und wenn ja, in welcher Weise er therapiert werden sollte, klären Patienten beziehungsweise deren Eltern nach der Diagnose im individuellen Gespräch mit dem Kieferorthopäden oder dem Zahnarzt. Bei Kindern übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für eine Behandlung, wenn der Abstand zwischen den oberen und unteren Frontzähnen mindestens sechs Millimeter, im Grundschulalter mindestens 9mm bemisst.
Die Art der Therapie sollte immer eine Vorverlagerung des Unterkiefers und das Erreichen des Lippenschlusses beinhalten. Damit Schützen die Lippen wieder die Zähne (z.B. bei einem Sturz) und die Nase wird wieder zum Atmen genutzt, was für unsere Gesundheit sehr förderlich ist. Entscheidend ist auch das Alter des Patienten, denn im Gegensatz zu Erwachsenen befinden sich Kinder und Jugendliche noch in ihrer Entwicklung. Dies macht man sich in der Kieferorthopädie zunutze und deswegen haben wir mykie(R) = myofunktionelle Kieferorthopädie) entwickelt. (s. auch mykie.de)
Eine Behandlungsmöglichkeit besteht darin, mittels einer herausnehmbaren Zahnspange, einem sogenannten funktionskieferorthopädischen Gerät, das Wachstum des Unterkiefers zu fördern. Bei manchen Patienten ist eine feste Zahnspange das Mittel der Wahl. Gummis, die zwischen Ober- und Unterkiefer gespannt werden, sorgen dafür, dass der Unterkiefer in die richtige Position bewegt wird. Auch mit Hilfe von Alignern kann in Kombination mit Gummizügen ein Überbiss korrigiert werden.
Ist das Körperwachstum und mit ihm die Entwicklung des Gesichtsschädels abgeschlossen, kann eine rein kieferorthopädische Behandlung bei bestimmten Kieferfehllagen an ihre Grenzen stoßen. Wenn die knöchernen Abweichungen zu stark ausgeprägt sind, können diese bei „ausgewachsenen“ Patienten nur noch erfolgreich behandelt werden, wenn die kieferorthopädische Therapie mit einer kieferchirurgischen Operation einhergeht.
Quellen:
- Das Gesundheitsportal medondo.health
- S3-Leitlinie „Ideale Behandlungszeitpunkte kieferorthopädischer Anomalien“
- KZBV: Häufige Fehlstellungen
- Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für die kieferorthopädische Behandlung
- De Ridder L, Aleksieva A, Willems G, Declerck D, Cadenas de Llano-Pérula M. Prevalence of Orthodontic Malocclusions in Healthy Children and Adolescents: A Systematic Review. Int J Environ Res Public Health. 2022 Jun 17;19(12):7446. doi: 10.3390/ijerph19127446. PMID: 35742703; PMCID: PMC9223594.
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